Rettung in letzter Sekunde – Notrufe vs. Missbrauch

Wenn eine leblose Person im Fließgewässer der Saale gesichtet wird,  geht mit dem Notruf in der Leitstelle der Feuerwehr eine riesen Kettenreaktion los. Feuerwehrleute und Rettungswagen rücken aus, um das Leben der in Gefahr geratenen Person zu erhalten, so auch am gestrigen Sonntag in der Talstraße in Halle.

„Ich habe das ganze Spektakel von Anfang an beobachtet.“, berichtete mir eine Passantin am Sonntagnachmittag am gegenüber gelegenen Riveufer in Halle. Nachdem eine leblose Person zuvor von weiteren Passanten gesichtet wurde, zog die ersteintreffende Polizei eine Frau aus der Saale und startete mit Ersthelfermaßnahmen. Der kurz darauf eintreffende Rettungswagen und der mit dem Hubschrauber ankommende Notarzt leiteten die professionelle Reanimation ein und belebten den Patienten wieder.  Laut Mitteldeutscher Zeitung schien sich die Frau mit suizidalen Absichten selbst in diese missliche Lage gebracht zu haben.
Ich selbst war im Rahmen meine Tätigkeit als Rettungssanitäter im Dienst, allerdings zum Zeitpunkt des Notrufes in einem anderen Einsatz gebunden. Kurz vor meinem Feierabend erreichten wir unsere  dem Unfallort gegenüber gelegene Wache und ich nutzte nach dem Schichtwechsel die Chance ein Foto zu erstellen. Neben mir standen unzählige weitere Passanten am Riveufer und spekulierten über den ganzen Sachverhalt. Niemand wusste zu dem Zeitpunkt wie es der Frau geht und die Sorge aller war groß. Vom dem ganzen unbeeindruckt und kindlich distanziert spielten Kinder im Laub der herbstlichen Bäume.

Erfolgreiche Reanimation in der Talstraße in Halle
Notfall in Halle – Erfolgreiche Reanimation in der Talstraße nachdem eine Frau aus der Saale gezogen wurde.
Foto: © Andreas Heine

Auf dem Bild wird deutlich, was alles in Gang gebracht wird, wenn sich jemand in Not befindet. Hubschrauber, welche Notärzte zum Patienten bringen, Polizeiautos und Rettungswagen, die mit Blaulicht zum Unfallort eilen, wollen alle nur das eine, HELFEN und RETTEN! Diese Bereitschaft wird jedoch zunehmend für fälschlicher Weise als Notruf eingeschätzte Situationen missbraucht. Patienten, welche den Weg zum Hausarzt nicht absolvieren möchten bzw. den Begriff des „NOTrufes“ fehlinterpretieren wählen die 112 und dramatisieren zum Teil die gesamte Situation. Das Resultat: Mindestens ein Rettungswagen fährt mit Blaulicht durch die Straßen in Richtung Patient, begibt sich damit wissentlich in Gefahr, denn bei Einsatzfahrten besteht ein 16-fach höheres Unfallrisiko. Am Patienten angekommen ernüchtert so mancher

Rettungsdienstler, denn der zuvor als NOTFALL angekündigte Patient begrüßt den Rettungsassistenten und Sanitäter zum Teil an der Wohnungstür mit einem wärmen Lächeln und bittet freundlich herein. Anschließend werden oft Symptome beschrieben, welche nicht erst seit kurzem bekannt sind, sondern schon länger bestehen. Auffällig sind dabei die Zeitpunkte für die Entscheidung zum Notruf. Oft werden diese mitten in der Nacht oder am Wochenende bzw. Feiertag getätigt.
Geht man dem ganzen in der Anamnese auf den Grund wird offensichtlich, dass die Bedeutung des Notrufes einer erschreckend hohen Anzahl von Personen nicht bekannt zu seien scheint. Ein Kollege berichtete mir erst vor kurzen von einer Begegnung, welche ihm für immer in Erinnerung bleibt. Dort teilte ihm ein Patient den Beweggrund für einen Notruf mit. „Wenn ich Hunger habe rufe ich den Pizzadienst und wenn ich Schmerzen habe den Rettungsdienst!“, teilte der vermeintliche Patient dem erfahrenen Rettungsassistenten mit. Die angesprochenen Schmerzen entstanden allerdings nicht akut, sondern waren schon länger bekannt, der Weg zum Arzt dem Patienten jedoch zu weit. Frei nach dem Motto „Wenn  der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg zum Propheten.“ handeln eine Vielzahl von Personen und missbrauchen den Notruf in einer unheimlichen Regelmäßigkeit. Dieser Missbrauch wird jedoch sehr selten zur Anzeige gebracht.
Mit dem angesprochenen Kontext möchte ich niemanden davon abbringen in Notfallsituationen die „112“ zu wählen, jedoch vorher abzuwägen ob es ein wirklicher Notfall ist oder der Hausarzt das Problem vielleicht auch lösen kann. Die ankommenden Rettungssanitäter und –assistenten sind allen Erwartungen entgegen keine Ärzte und transportieren fachlich kompetent den Patienten zu einem Arzt in der Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses. Das dazu Rufen eines der wenigen Notarzteinsatzfahrzeuge oder Rettungshubschrauber mit einem Arzt an Bord ist zur Schmerzbekämpfung und unter anderem bei Reanimationen wie die an der Saale notwendig. Werden diese jedoch zu den beim Notrufmissbrauch dramatisierten Situationen geschickt, müssen Patienten mit einem reellen Bedarf auf die Notärzte warten.
Im Fall der Reanimation an der Saale in Halle schienen Ersthelfermaßnahmen und die professionelle Rettung unter dem Einsatz aller möglichen Rettungsmittel erfolgreich eingesetzt worden zu sein. Es lohnt sich also in NOTFÄLLEN den NOTRUF zu wählen, in der Hoffnung, dass alle notwendigen Rettungsmittel verfügbar sind und nicht in beabsichtigt fehlinterpretierten Notfällen gebunden sind.


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2 Antworten zu „Rettung in letzter Sekunde – Notrufe vs. Missbrauch“

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